Die Arbeit als Milizpolitiker muss attraktiver werden :: Pfannenstiel-Tagung 2013

Im Hinblick auf die Wahlen 2014 diskutierten Gäste aus Politik und Wirtschaft an der Pfannenstiel-Tagung der CVP darüber, was im Milizsystem falsch läuft. Für vollamtliche Behördenmitglieder sprach sich aber niemand aus.

Die Kommunalwahlen 2014 bereiten den Parteien Bauchschmerzen. Rund 30 neue Amtsträger müssen für die 84 Gemeinderatssitze im Bezirk Meilen gesucht werden. Politische Parteien wie auch Vereine und Institutionen haben aber zusehends Mühe, geeignete Persönlichkeiten für ein Engagement zu finden. «Wenig Interesse für politisches Engagement: Was läuft schief in unserem Milizsystem?» lautete das Thema der Pfannenstiel-Tagung am Samstag. Im Restaurant Krone, Uetikon, diskutierten Politologe Michael Hermann, Hilmar Gernet, Direktor Politik und Gesellschaft bei der Raiffeisen Schweiz und ehemaliger CVP-Generalsekretär, sowie der Männedörfler CVP-Kantonsrat Lorenz Schmid.
Zeitliche Belastung grösser
Das Milizsystem geht auf die 1830er Jahre zurück, in die Zeit der Regeneration und des Bruchs aristokratischer Vorherrschaften. Diese typisch alemannische Tradition gründe auf der Idee, die Verantwortung zu teilen, statt sie in der Oberschicht zu zementieren, sagte Michael Hermann. «Laut einer Untersuchung haben heute zwei Drittel der Gemeinden Mühe, Exekutivmitglieder zu finden.»
  • «Zwei Drittel der Gemeinden haben Mühe, Kandidaten zu finden.»
    Michael Hermann
Der Politologe berichtete, dass 85 Prozent der Exekutivmitglieder angeben, die zeitliche Belastung habe zugenommen.Auch hat das politische Amt als solches an Attraktivität verloren. «Das Ansehen eines Gemeindepräsidenten ist heute nicht mehr so gross wie früher», sagte er. Ferner schrecke der «Arschlochkoeffizient» von einem Engagement in der Politik ab. Mache ein Politiker einen Fehler, würde dies in den Medien sofort breitgeschlagen.
Nicole Lauener, Präsidentin der CVP Bezirk Meilen und Moderatorin der Tagung, fragte Lorenz Schmid, wie er seine Arbeit als Inhaber der Paradeplatz-Apotheke und sein Amt als Kantonsrat unter einen Hut bringe. «Ich arbeite 150 Prozent», antwortete Schmid gelassen. Sein Mandat, ein Pensum von etwa 30 Prozent, bringt ihm pro Jahr rund 23 000 Franken ein. «Mein Amt kostet mich mehr Geld, als ich erhalte.»
Kein Geld für Politik
Hilmar Gernet kritisierte, dass in der Schweiz die Kultur herrsche, Geld aus der Politik zu verdrängen. Als Luzerner Kantonsrat habe er bei einem Pensum von 25 Prozent jährlich 6000 Franken verdient. «Dieser Lohn ist jenseits und einem politischen Amt nicht angemessen.» Schmid sagte, dass sich die verschiedenen politischen Engagements mancher Kollegen zeitweise zu einem 100-Prozent-Amt addieren würden. «Die Frage ist, wie wir Miliz definieren. Geht es um Zeit oder Professionalität?» Bei einem miliztauglichen System müsse die Zeit beschränkt bleiben, sagte Schmid.
Vor Machtvakuum gewarnt
Die Idee, die politische Arbeit auf Gemeindeebene zu professionalisieren, stiess in der Diskussionsrunde auf Ablehnung. Hermann ging davon aus, dass die Verwaltung operative Funktionen übernehmen würde und sich die Exekutive auf strategische Aufgaben beschränkte.
  • «Mein Amt als Kantonsrat kostet mich mehr Geld, als ich erhalte.» Lorenz Schmid
Gernet warf ein: «Geht es dabei ums Anstellen und Wählen?» Lauener warnte vor «heiklen Verwischungen» und einem Machtvakuum in den Verwaltungen, wenn diese politische Entscheidungen treffen würden. Gernet erwiderte, dass die eidgenössischen und kantonlen Verwaltungen und Kantonsregierungen heute schon die einflussreichsten Lobby-Organisationen seien. Er stellte klar: Sollen die Gemeinderäte politische Behörden bleiben, müssten sie politische, strategische und um Mehrheiten ringende Entscheidungen finden.
  • «Die Löhne sind einem politischen Amt nicht angemessen.» Hilmar Gernet
Wirtschaft ist gefordert
Anerkennung unter den Diskussionsgästen und den rund 30 Zuhörern, darunter vor allem CVP-Vertreter, fand die Raiffeisenbank. Ohne Lohneinbussen können deren Angestellte 20 Prozent ihres Pensums für ein Engagement in einer Behörde nutzen. Laueners Frage, ob deshalb mehr Angestellte in Behörden aktiv seien, verneinte Gernet «Aber wir legen den Interessierten keine Steine in den Weg.»
Das Fazit der CVP-Präsidentin Lautete: «Wir müssen mehr über die Finanzierung und die Professionalität diskutieren. Die Wirtschaft ist gefordert und soll Möglichkeiten für Engagements in Behörden schaffen.» Ginge es nach Gernet, gelte es zu überlegen, wie man junge Menschen mit politischem Wissen aus stattet. Der Lehrplan 21 sehe Staatskunde nicht als eigenständiges Fach vor. «Damit sind wir auf dem Holzweg.»
Quelle: Bettina Zanni, Zürichsee-Zeitung, 29. Oktober 2013